23.09.2018, 12:02 Uhr

Der Gierather Wald und das Jahr 2018

Friederike, Dürre-Sommer, Holzeinschlag. Da war einiges los im Gierather Wald dieses Jahr, das noch nicht zu Ende ist.

Wahrscheinlich muss man all das als Vorboten des Klimawandels sehen: Winterstürme, heiße und trockene Sommer, Wetterphänomene insgesamt intensiver und unberechenbarer, eben auch in der rheinisch-bergischen Region, und eben auch im Gierather Wald. Ob das Vorboten sind oder wir schon mitten drin sind, werden die nächsten Jahre zeigen. Tiere und Pflanzen müssen damit umgehen, aber auch diejenigen, die mit Tieren und Pflanzen zu tun haben, ob aus wirtschaftlichen oder naturliebenden Gründen.

Forstwirtschaft im Dürre-Sommer

21.09.2018: Auf einer Kyrill-Fläche sind gerade ein paar Fichten geschlagen worden - mehr Platz für Eidechse und Fitis
© Justus Siebert
Für die Forstwirtschaft, die es auch im Naturschutzgebiet Gierather Wald gibt, ist klar: es wird schwieriger, weil unberechenbarer, die Frage ist, ob man mit einem Sommer wie 2018 jetzt jedes Jahr, alle fünf oder zehn Jahre rechnen muss. Gelitten haben dieses Jahr alle Bäume, auch diejenigen wie Kiefern, denen man eine größere Trocken-Leidensfähigkeit zugetraut hatte. Das konnte ihnen auch ein Nicht-Fachmann ansehen: trockene Blätter und Nadeln, gelbe Herbststimmung schon im Juli, kümmerliche Eicheln und Bucheckern schon im August auf dem Waldboden. Heißt, auch die standortgerechten Eichen und Buchen waren betroffen. Wenn das ein „normales“ Jahr gewesen sein soll, würde das bedeuten, dass auch diese alteingestandenen Bäume hier künftig fehl am Platze wären, aber was dann? Der Gierather Wald als Eukalyptus-Wald, an australische Verhältnisse angepasst, ist dennoch schwer vorstellbar. Und die Fehler vieler Mittelmeer-Länder, mit ihren ökologisch schwerwiegenden Folgen, muss man ja nicht wiederholen. Ja gut, das war jetzt extrem gedacht, es gibt auch noch andere Optionen, aber das ist bislang alles mit dem Auge des Försters betrachtet.

Mit dem Auge des spazierenden Anwohners betrachtet dürfte sich der Gierather Wald so dargestellt haben: Im Januar von der stürmischen Friederike umgeworfene Bäume, im Juli ein ausgetrockneter Hasselbachteich, und im September jetzt kahl geschlagene Waldparzellen und am Wegesrand gelagerte Baumstämme. Letzteres waren natürlich keine Naturgewalten sondern der Förster, da könnte man sich schon fragen:

Was soll das, wer macht da meinen Wald kaputt, dem geht es doch schon schlecht genug?!

21.09.2018: Der Hasselbachteich liegt immer noch trocken. Regenzeit beginnt erst heute, mal schauen...
© Justus Siebert
Man kann aber auch sagen: Wald und Bäumen mag es schlecht ergangen sein, was aber nicht gleichbedeutend ist mit einem generellen Leiden der Natur. Da kommt es eher darauf an wen man fragt. Zum Beispiel die Fische im Hasselbachteich: die haben natürlich gelitten, weil sie allesamt verendet sind, als der Teich am 29. August ausgetrocknet ist. Fragt man hingegen die Frösche und Molche: die haben sich vielleicht sogar gefreut, weil es jetzt keine Fische mehr gibt, und somit diese Fressfeinde weniger für die Kaulquappen und Molchlarven, für die Laichzeit im nächsten Frühjahr, wenn der Teich (hoffentlich) wieder Wasser führt. Das Austrocknen eines Teiches hat für Amphibien also auch durchaus Vorteile. Aber für verschiedene Amphibien auch verschiedene  Vor- und Nachteile: Der Teichfrosch hätte doch gern ganzjährig Wasser, der Grasfrosch am liebsten nur so bis Juli, dann sind nämlich die Quappen fertig zu Jungfröschen entwickelt, für die Kröten dürfte das Wasser bis September halten… Man sieht also, irgendwer hat immer was zu meckern.

Zauneidechse und Fitis

Mai 2015: eine Zauneidechse am Wegesrand im Gierather Wald
© Justus Siebert
Und dann gibt es noch Madame Zauneidechse, der ist der Teich ziemlich egal, sie hätte es gerne sonnig, und bitte schön bodennah, aber etwas Brombeere, und Gras, darf schon sein! Also eigentlich, würde man die Zauneidechse fragen (tut aber keiner, ihre Fangemeinde ist klein), gar kein Wald, der macht nur Schatten, und nur ein toter Baum ist ein guter Baum, so als Totholz, zum Verstecken für etwas Privatsphäre, falls Wildschweine oder Katzen ungebeten vorbei kommen. Dass sie überhaupt (noch) vorkommt im Gierather Wald deutet darauf hin, dass das hier nicht immer so waldig und schattig war, und tatsächlich ist der Gierather Wald Teil der Schluchter Heide, war also mal eine Heide, worauf vereinzelte Heidekraut-Büschlein und Ginstersträucher hier und da am Wegesrand dezent hinweisen. Aber selbst die älteren menschlichen Anwohner können sich daran nicht mehr erinnern, und kennen die Schluchter Heide eben nur noch als (Gierather) Wald.

Jedenfalls, die Kahlschlagflächen von diesem September befreien sie aus ihrem Schattendasein, für sie ist etwas Lebensraum zurück gewonnen, und wenn durch die Waldarbeiten etwas sandiger Rohboden an die Oberfläche gekommen ist, könnte es auch mit dem Gelege und von der Sonne ausgebrüteten Nachwuchs klappen im nächsten Frühjahr. Was die Vorliebe für besonnte Offenflächen angeht, ist sich die Zauneidechse übrigens einig mit so einigen anderen, z.B. dem Fitis, dessen Balzgesang vor einigen Jahren noch im Gierather Wald zu hören war. Damals gab es noch verbuschte ehemalige Sturmflächen (Kyrill-Flächen), die inzwischen zu dichten Jungwald hochgewachsen sind – für den Fitis nicht mehr genehm, er zieht weiter. Mal schauen wie er das nächstes Jahr sieht, auf den Kahlschlagflächen.

Nochmal zurück zu der Ausgangsfrage: Was soll das mit dem Holzeinschlag?

Fitis
© Elke Herkt
Natürlich war die erste Motivation des Försters nicht der Fitis oder die Zauneidechse, wenn auch deren Wohlergehen mindestens ein Nebeneffekt waren, auch Förster haben nicht nur Bäume vor Augen, aber eben auch forstwirtschaftliche Vorgaben. Und die waren dieses Jahr auch etwas erzwungen, weil man jetzt ernten musste, weil Sturm- und Dürre-geschädigt oder abgestorben. Und wenn man sich die gestapelten Baumstämme am Wegesrand genauer anschaut, dann sind es vorwiegend Fichten, die also sowieso nicht hier hin gehören, die Maßnahme gehört also zu einem neuen Konzept, dem Umbau des Waldes, weg von der Fichte, vor allem den berüchtigten Fichten-Monokulturen, hin zu was auch immer. Die Freunde der Sonne jedenfalls haben etwas Raum und Zeit gewonnen, man darf freudig-gespannt sein, was zumindest nächstes Jahr auf den neuen Offenflächen zu hören und zu sehen sein wird.

Und der Hasselbachteich:

Für den gibt es auch schon Ideen, wie dem und seinen Bewohnern geholfen werden kann, denn perspektivisch würde es, mit fortschreitender Verlandung, mehr Verlierer als Gewinner geben. Dazu mehr, wenn es mehr und Konkretes zu erzählen gibt. Vielleicht dieses Jahr noch.